Libuše ist die Mutter meiner Mutter, also meine Oma. Sie will aber nicht, dass man Oma zu ihr sagt, das mache sie alt, sagt sie. Also nennen wir sie beim Namen: Libuše.
Sie hat einen schönen Namen. Libuše, die Kaiserin der Přemysl-Dynastie, sah vor ihrem geistigen Auge eine große Stadt, als sie auf die Moldau blickte. Sie gründete Prag.
Meine Libuše geht jeden morgen aus unserer Wohnung in der Jirečkova Ulice in Prag früh morgens arbeiten.
Sie leitet eine Porzellan - Abteilung eines Kaufhauses. Manchmal passt sie auf mich auf, aber dann nur abends oder am Wochenende, wenn ich nicht bei Papa bin. Sie ist fleissig, beschäftigt, immer in Bewegung, wie meine Mama. Manchmal bekommt Libuše Besuch von ihrem Bekannten, mit dem sie dann ausgeht. Er heisst Kratochvíl und ist immer stilvoll und elegant gekleidet, überaus höflich und lächelt. Er begrüßt sogar kleine Kinder , wie mich, mit einer kleinen Verbeugung, bei der er seinen Hut abnimmt. Ich mag das.
Libuše lässt mich regelmäsßg in Ihrem Zimmer schlafen . Wir stellen zwei große Ohrensessel zusammen und dort ist dann mein Bett. Es ist kuschelig, geborgen und warm. Libuše legt sich dann in ihr
Bett, macht das Licht aus und wir liegen - jede in ihrem Bettchen - im dunklen Zimmer, schauen auf das Lichterspiel an der Zimmerdecke, dass die Straßenlaternen und die vorbeifahrenden Autos uns
bereiten und erfinden Geschichten.
Jede erzählt ein Stückchen und die andere muss dann weiter erzählen. So reisen wir zu der Insel der Pinguine, die weit weg, zwischen dem blauen Meer und dem blauen Himmel, liegt und wo der kleine Pinguin mit Mama und Papa lebt. Er nimmt auch kalte Duschen morgens mit seinem Papa, und seine Mama geht immer auf die Jagd, und ist fast nie da, damit er zu essen bekommt und gross und stark wird.
Der kleine Pinguin und ich sind uns sehr ähnlich - und Libuše weiß das.
Copyright Johana Munzarova



Foto: Archiv Munzarova
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